Neugierig betrachtet Betriebsleiter Dietmar Holm, wie das Brot hinter den dicken Glasscheiben langsam hochbackt. Sechs hochwertige Steinöfen sind der Anlass dafür, dass der Bäckermeister immer wieder gespannt in der Produktion steht und nur darauf wartet, die fertigen Backwaren endlich in den Händen zu halten. Nach gut 20 Minuten ist es so weit – und er wirkt sichtlich zufrieden ob des Ergebnisses. „Ein Brot anfassen, das frisch aus dem Ofen kommt – das kann nur ein Bäcker“, scherzt Dietmar Holm. Recht hat er! Das rustikale Weißbrot, das an jenem Morgen zuerst aus dem Steinofen kommt, wäre für jeden Laien wohl viel zu heiß. Die Vorfreude war in diesem Fall jedoch zu groß: „In diesem Ofen entsteht ein tolles Produkt. Es ist schon schwierig, etwas Vergleichbares zu finden“, schwärmt er. Rund 1,8 Millionen Euro wurden in die Hand genommen, um die bestehenden vier Steinöfen um sechs zu erweitern. Und mit einem System auszustatten, das viele Arbeitsschritte vereinfacht.
„Die Qualität ist der ausschlaggebende Punkt. Das Backen auf Stein verändert das Aroma – und das sorgt für einen ganz anderen, besseren Geschmack.“
Dietmar Holm, Betriebsleiter
Backen wie unsere Vorfahren
Für Dietmar Holm – seit über 30 Jahren Bäcker – ist Qualität der entscheidende Punkt! Und wenn er über die neuen Öfen spricht, gerät er regelrecht ins Schwärmen: „Die Steinöfen eröffnen uns eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten. Das ist enorm wichtig, denn das Schlimmste, was uns passieren kann, ist Stillstand.“ Doch dazu später mehr.
Um sich weiterzuentwickeln, wird in Reutlingen zunächst ein großer Schritt zurück gewagt. Denn Steinöfen sind wahrlich eine Technik mit Tradition! Schon vor mehr als 3000 Jahren wurden die ersten Teigfladen auf Steinplatten gebacken. Die Funktionsweise ist schnell erklärt: Die Platten speichern die Hitze und geben diese dann an das Gebäck nach oben ab. Im Gegensatz zu einem Heißluftofen, bei dem die warme Luft von allen Seiten auf den Teig einwirkt, kommt die Hitze in einem Steinofen also lediglich vom Boden. Dietmar Holm: „Dadurch verändert sich die Kruste – und damit auch der Geschmack.“
Aroma entsteht in der Kruste
„Das ist entscheidend“, sagt Holm. „Die Kruste ist wie ein karamellisierender Teig, in dem Röstaromen entstehen.“ Dadurch bekommt ein Brötchen in einem Steinofen einen ganz besonderen Charakter: „Wenn Sie es einmal gekauft haben, werden Sie es wieder kaufen“, sagt der Bäcker mit einem breiten Grinsen ein. Allein schon der weiße Kranz, der sich nur beim Backen in einem Steinofen um den Boden des Brotes bildet, stehe für Qualität. Darauf könne sich der Kunde bereits freuen. Die Experimentierfreude des Bäckermeisters hat die Neuanschaffung der Öfen jedenfalls geweckt: „Ich bin besonders auf die vielen Brote gespannt. Mit dem Steinofen können wir nun die Qualität, die wir in der Teigherstellung liefern, endlich angemessen vollenden.“ Eine neue Produktlinie sei das Ziel – und die Entwicklung bereits im Gange.
Mensch und Maschine arbeiten Hand in Hand
Dass eine derart große Bäckerei überhaupt in diesem Ausmaß mit Steinöfen arbeitet, ist dabei keine Selbstverständlichkeit. Täglich werden bei Backkultur 180 Lastwagen mit frischen Backwaren beladen, die dann an die Filialen im Südwesten ausgeliefert werden. „Ein Bäcker hat eigentlich nie Zeit“, wirft Frank Winter ein. Und dennoch nehme man beim Backen im Steinofen einen Mehraufwand in Kauf. Der Trick: ein hochmodernes System, das viele Arbeitsschritte automatisiert. So ist zwar der betriebene Aufwand höher, doch die Arbeit für die Bäckermeister und Gesellen bleibt dieselbe: Der von der Maschine vorgeformte Teig wird per Hand zurechtgerückt und anschließend auf ein Blech gelegt. Dieses wird dann in eine Art Wagen gehoben, welcher die Brote daraufhin per Förderband in den jeweiligen Ofen schiebt. Ganz automatisch, ohne zusätzliche Handgriffe.
„Die Arbeit ist nun gleichzeitig handwerklicher, aber durch die moderne Technologie dennoch leichter. So macht die Arbeit mit den neuen Öfen sehr viel Spaß.“
Tobias Zimmermann, Geselle
Der Rolls Royce unter den Broten
Dietmar Holm hat für dieses System einen ganz eigenen Vergleich: „Wenn Sie ein Auto von Rolls-Royce kaufen, steckt dort auch noch viel Handarbeit drin. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Mechaniker den Motor in die Karosserie tragen muss. Was sich unterscheidet, ist das Ergebnis – und das ist hervorragend.“ Bald sollen sich auch die ersten Kunden davon überzeugen können. Dann hat jeder die Chance, sich den Rolls-Royce unter den Broten an den Frühstückstisch zu holen. In Reutlingen kann man es kaum erwarten.